„Wir wollen nicht nur einen bezahlbaren und funktionsfähigen, sondern auch nachhaltigen Schuh herstellen“

Ein Interview mit Markus Nelke von Lupriflex

Sie sind Mitglied bei cads e.V., haben den Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte 2021 gewonnen und waren für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design nominiert, was zeichnet den Schuh – „PETer“ aus?

Bei der Herstellung unseres klimafreundlichen Sicherheitsschuhs „PETer“ wird – verglichen mit herkömmlich produzierten, vergleichbaren Schuhen – rund die Hälfte weniger an CO2 ausgestoßen. Das liegt vor allem am Oberstoff aus recyceltem PET. Aber auch in der Sohle und im Fußbett setzen wir auf Materialien, die klimaschonend sind – ganz im Sinne der Ziele von cads. Beispielsweise nutzen wir Reste aus der Sohlenproduktion und Schafwolle als Polstermaterial. Die Wolle kommt von Tieren aus Holland, die dort in erster Linie dem Landschaftsschutz dienen.

Grundsätzlich haben wir alle unsere Modelle einer CO2 Analyse unterzogen. Schuster machen normalerweise eine Flächenberechnung, um den Materialverbrauch zu berechnen. Wir sind weiter gegangen und haben den CO2-Print von allen Komponenten ermittelt. Das ist wichtig, um zu wissen, wie man den CO2-Footprint überhaupt reduzieren kann.

Wie nehmen die Verbraucher nachhaltige Schuhe an?

Die Bereitschaft, für klimafreundliche Schuhe mehr zu bezahlen, ist leider nicht immer gegeben. Trotzdem versuchen wir nachhaltige und umweltfreundliche Standards in die Entwicklung auch von Sicherheitsschuhen einzubringen. Die Herausforderung dabei ist, Ökologie und hohe Belastbarkeit zu verbinden. Wir stellen ja Sicherheitsschuhe her. Das heißt, wir können kein Material einsetzen, das nicht eine gewisse Resistenz hat. Wir haben Normen, die erfüllt werden müssen. Man darf Idealist sein, aber in erster Linie muss der Schuh den nötigen Schutz für den Menschen bieten.

Was wird bei Lupriflex gemacht, um umweltfreundlich und nachhaltig zu produzieren?

Seit 2009 arbeiten wir an der CO2-Neutralität im Unternehmen. Wir haben Ökostrom, Biogas und eine Photovoltaik-Anlage. Wir arbeiten mit einem Partner zusammen, um den Wasserverbrauch, den Weg zur Arbeit und Reisen umwelt- und klimaschonend zu gestalten. Unsere Emissionen kompensieren wir - beispielsweise mit einem Waldschutzprojekt im Amazonasgebiet. Allerdings sehen wir auch weiteren Optimierungsbedarf, zum Beispiel in unserem Fuhrpark, wo wir gerne mehr Elektro-Fahrzeige einsetzen würden. 2030 wollen wir den CO2-Print unserer Produkte um die Hälfte reduziert haben, ohne zu kompensieren.

In der Herstellung außerhalb Europas arbeiten wir mit Gerbereien zusammen, die alle durch die Leather Working Group zertifiziert sind. Zudem achten wir besonders auf Sozialverträglichkeit und gesundheitliche Aspekte. Hier hat cads e.V. wichtige und gute Richtlinien erarbeitet, die uns sehr helfen. Beispielsweise lassen wir jeden Container aus Asien auf Schadstoffe nach der RSL von cads überprüfen.

Viele denken bei Schuhen an Fertigungen in Asien. Sie produzieren 80 Prozent Ihrer Modelle in Italien und 20% in China, warum?

Wir arbeiten seit 20 Jahren mit einer Firma in Italien zusammen. In Europa gibt es ein anderes Bewusstsein für Nachhaltigkeit als in Asien. Es gibt viele, die nicht höher springen als sie müssen. Daher gibt es immer noch Luft nach oben. Umwelt und Vertrieb dürfen sich nicht ausschließen. Nach China sind wir mit einem Teil unserer Modelle gegangen, weil in Europa niemand die komplizierteren Modelle herstellen wollte.

Wie weit ist die Schuhbranche in puncto Nachhaltigkeit? Was sollte sich ändern?

Wichtig ist, dass alle cads Mitglieder die Absicht haben, an einem Strang zu ziehen. Ihre Mitgliedschaft zeigt, dass sie sich gemeinsam mit den drei großen Themen Soziales, Schadstoffe und Umwelt aktiv auseinandersetzen wollen. Wir sind noch am Anfang, aber wenn wir die Richtlinien entwickeln und das deutsche Modell auch in anderen Ländern Nachahmer findet, können wir viel erreichen. Ich glaube, für diese Aufgabe gibt es keinen besseren als cads e.V.